Wenn die eigene Kindheit Schatten wirft…


Ich möchte es besser machen, als meine Eltern...

Die Beziehung zu meinen Eltern ist nicht so gut - warum?

Ich hatte eine belastete Kindheit und möchte auf keinen Fall so werden wie meine Eltern!

Mein Kind soll sich niemals so fühlen müssen, wie ich damals...

Auch wenn man keine besonders belastete Kindheit hatte, schwört man sich mitunter, es ganz anders machen zu wollen, als die eigenen Eltern.

Das ist insofern ein ambitioniertes Vorhaben, als in den allerschwierigsten Momenten mit dem Kind die Wahrscheinlichkeit steigt, dass genau jenes Verhalten zum Vorschein kommt, welches wir  an uns gar nicht leiden können. 😉 

Aber warum ist das eigentlich so? Nun, wir Menschen haben eine Neigung dazu, in Situationen die uns ängstigen, verunsichern oder stressen, nicht mehr ganz klar denken zu können, sondern auf  „Autopilot“ zu schalten. Das ergibt so gesehen auch irgendwie Sinn, weil Überlegen Zeit braucht, in diesen Situationen vielleicht eine sofortige Reaktion erforderlich ist, und der „Autopilot“ schlicht Zeit spart.

Meistens wäre allerdings durchaus Zeit zum Überlegen, jedoch trifft dann eine bestimmte Situation so präzise einen wunden Punkt (der oft nicht einmal bewusst ist!) und es kommt zu der automatisierten Reaktion, gekennzeichnet als „nicht im Verhältnis stehend“, also eine klassische Überreaktion

Um aus diesem Kreislauf zu entkommen, muss man erst einmal für sich verstehen, warum man überhaupt reagiert wie man reagiert, also was den Autopilot füttert! Und schon sind wir wieder bei den eigenen Erfahrungen. 

Wir waren selbst alle einmal Kinder, und haben unsere Eltern damals in die selben schwierigen Situationen gebracht, wie unsere Kinder uns heute. Unbewusst haben wir die Reaktionen und das Verhalten unserer Eltern abgespeichert, und greifen dann durch die Denkabkürzung (den „Autopiloten“) genau auf diese zurück.

Das ist nun in vielen Fällen einfach nur ärgerlich, aber je belastender die eigenen Kindheitserfahrungen waren, desto mehr Situationen gibt es, die „antriggern“ (also Ohnmacht, Ärger, Wut, … auslösen)  und in denen auf das – eigentlich abgelehnte – von den eigenen Eltern vorgelebte Verhalten zurückgegriffen wird.

Und je öfter das vorkommt, desto wahrscheinlicher beeinflusst das die Beziehung zu den eigenen Kindern negativ, obwohl man doch genau das nicht wollte!

Hierzu gibt es auch Studien¹, die diese sogenannte „transgenerationale Übertragung“, also die Weitergabe des spezifischen Verhaltens in Eltern-Kind-Beziehungen, untersucht haben und diese Annahmen bekräftigen. In diesen Studien wird aber auch klar: Die Übertragungsrate liegt weit weg von 100%, und das ist die gute Nachricht!

Das bedeutet nämlich, auch Eltern mit belasteter Kindheit können aus diesem Kreislauf aussteigen und es somit wirklich besser machen, als die eigenen Eltern. 🙂 

Sie haben – unterstützt durch unterschiedliche Faktoren – gelernt, den „Autopiloten“ umzuprogrammieren, und so einen Ausstieg gefunden. 

Das ist eine beachtliche Leistung und verdient jede Menge Respekt.

Gerne unterstütze ich dich bei diesem Prozess, indem wir deine ungewollten Verhaltensmuster gemeinsam betrachten, und eine Verhaltensalternative erarbeiten, auf die du in schwierigen Situationen zurückgreifen kannst.

Quelle:
1) van IJzendoorn, M. H. & Bakermans-Kranenburg, M. J. (1997). Intergenerational transmission of attachment: A move to the contextual level. In L. Atkinson & K. J. Zucker (Eds.), Attachment and Psychopathology (pp. 135–170). New York: Guilford Press.